Kunst aus Werken

Vier Kunstschaffende – ein Schauplatz. Im Dachstock vom Stadthaus Unterseen entsteht aus vier Kunstrichtungen eine Ausstellungslandschaft mit gehaltvollen Ecken zum Entdecken. (Auszug…)

Als Jane Steel alias Jeannine Fankhauser eine Katze aus dem Sack mit Luftkammern lässt, ist klar, wo diese hinkommt. Das Lieblingswerk der Künstlerin ist allerdings der Rabe, den sie in Anlehnung an Wilhelm Busch «Hans Huckebein» taufte. Der Grund liegt auf der Hand – der aus Eisenplastik *gegossene geschmiedete Artgenosse teilt die Lebendigkeit mit der «schwarzen Seele» aus Buschs Abenteuer. «Die Energie, die ich in meine Skulpturen stecke, lassen sie lebendig werden», so lautet das Zaubermittel, mit denen die Künstlerin die Skulpturen so verkörpert, dass sie zu den Betrachtern sprechen.


Die Katze wird im Dachgeschoss Artgenossen auf Leinwand finden.


Der Rabe erhielt in Anlehnung auf Wilhelm Buschs Fabel den Namen Hans Huckebein.


Wegen des ungewöhnlichen Schaffensprozesses ist der Vogel Jane Steels Meisterstück.

Der Prozess
Dass sie selbst bei der Erschaffung des Raben ganz neue Wege ging, macht das Kunstobjekt für Jane Steel zu ihrem persönlichen Meisterstück. «Ich habe lange Eisenstangen zu kleinen Stücken zugeschnitten, die ich von Hand vom Schwanz her übereinander geschichtet habe, damit die Federn wie in echt übereinander liegen», lässt sich die Künstlerin ins Handwerk blicken.

von Patrick Schmed / Fotos: Patrick Schmed

Originalartikel siehe Jungfrauzeitung


Keine Angst vor heissem Eisen

Jeannine Fankhauser ist seit rund zwei Jahren Meisterschülerin beim Eisenplastiker David Werthmüller. Die Künstlerin war bereits in ihrer Jugendzeit oft handwerklich tätig und hat sich diese Begeisterung bewahrt.

«Ich habe mir den Künstlernamen Jane Steel zugelegt, der Name ist sozusagen Programm, und er bleibt den Leuten sicher besser in Erinnerung als mein Geburtsname», sagt Jeannine Fankhauser, wie sie mit bürgerlichem Namen heisst. Mit dem Künstlernamen habe sie es ausserdem kürzer, ihre Kunstwerke zu gravieren, ergänzt sie mit einem schelmischen Lächeln. Jane Steel war bereits als ganz junge Jeannine Fankhauser handwerklich interessiert. «Ich habe schon als Kind lieber mit Hammer, Säge, Nägeln und Farben hantiert.» So hat sie vor einigen Jahren das gesamte, im schwedischen Stil erbaute Holzhaus komplett neu gestrichen.


Jane Steel gestaltet mit Eisen, Schweissgerät und sehr viel Kreativität Kunstwerke.

Der Eisenplastiker David Werthmüller hat ihre Mutter und seine spätere Ehefrau kennengelernt, als Jane Steel zwölf Jahre alt war. Da haben sich handwerklich neue Welten aufgetan. Sie hat sich dem Material Eisen angenähert und hatte nie Berührungsängste, den Schweissbrenner zu bedienen. Noch sei die Kunst ihr zweites Standbein, davon leben könne sie nicht: «Ich jobbe an einzelnen Tagen und muss mich dort ziemlich flexibel einbringen. Von der Kunst alleine kann ich nicht leben. Aber mit dem, was ich verdiene, kann ich mir mein Leben einrichten und finanzieren. Es ist zwar eher bescheiden, aber man lernt auch, sich zu bescheiden», betont sie. Sie mache Kompromisse im Leben, das Auto sei günstig, die Wohnung bezahlbar. «Ich habe mich daran gewöhnt, weniger als andere zur Verfügung zu haben. Ich muss auch nicht jedes Wochenende in den Ausgang.»

Meisterschülerin
Sie hat David Werthmüller immer wieder bei seinen Arbeiten geholfen, hat Vorarbeiten ausgeführt. Seit zwei Jahren ist sie nun seine Meisterschülerin: «Ich bin zu ihr strenger als ich es zu meinen Studenten war», ist der Künstler überzeugt, der während über zehn Jahren Zeichenlehrer und Dozent war, unter anderem an einer Hochschule in Freiburg.

«In der Kunst kann ich mich selber sein, da muss ich nur das Metall verbiegen, nicht mich selbst.»
Jane Steel
Künstlerin

So hat Jane Steel etwa fixe Arbeitsstunden im halboffenen Atelier, wo sie neben David Werthmüller ihren Arbeitsplatz hat: «Ich arbeite von Montag bis Freitag ab sieben oder acht Uhr bis 17 oder 18 Uhr in der Werkstatt. Einzige Ausnahme sind die Tage, an denen ich wie gesagt jobbe.»

Was ihr anfänglich nicht so bewusst gewesen sei: Sie sei nicht nur Künstlerin, sondern auch Verkäuferin, müsse ihre Kunst anpreisen und Verkaufsverhandlungen führen. Das sei wohl ein ständiger Lernprozess. «In der Kunst kann ich mich selber sein, da muss ich nur das Metall verbiegen, nicht mich selbst.» Besonders freute sie sich, als sie ihr erstes Kunstobjekt verkaufte. «Das war im alten Tramdepot in Bern; David hatte dort eine Ausstellung und ich durfte eine meiner Skulpturen dazu stellen. Der Käufer hat das Objekt gekauft, weil es ihm gefallen hat. Er ist ein Sammler, der nicht auf berühmte Namen achtet, sondern darauf, was gefällt.» Mittlerweile hat Silvia, die Mutter von Jane Steel, eine Galerie in Murten eröffnet: «In den ersten Wochen war meine Figur Zeus dort ausgestellt, aktuell ist nichts von mir dort.» Manchmal macht sich die junge Frau selbst Druck. Sie habe keine Kunstschule besucht und habe manchmal das Gefühl, besser sein zu müssen als diejenigen, die ein Studium hinter sich hätten. David Werthmüller winkt ab: «Nach ihrem Zeus, der bereits sehr gut gelungen ist, hat sie einen Raben geschaffen, sie hat sich auf jeden Fall getoppt und ein tolles Kunstwerk geschaffen.»

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Erschienen im  Anzeiger von Kerzers, Mittwoch 29. März 2017


Kopf des Tages

Ihr Name ist ein Pseudonym und erinnert an einen Filmstar. Jane Steel, geborene Jeannine Fankhauser, trat schon früh in die Fussstapfen ihres Vaters David Werthmüller, dem Eisenplastiker aus Fräschels.

Dort arbeiten sie heute im gemeinsamen Atelier. Für Steel kam nie etwas anderes infrage, als mit Eisen zu arbeiten. «Ich friere grundsätzlich immer. Vielleicht umgebe ich mich deshalb so gerne mit zigtausend Grad.» Einige ihrer Eisenplastiken stellt die 27-Jährige derzeit zusammen mit ihrem Vater David und ihrem Onkel, dem Thuner Maler Stefan Werthmüller sowie den Thuner Brüdern Kurt und Herbert Siegenthaler in der Dachstock-Galerie des Unterseener Stadthauses aus.

Kunst
Jane Steel lebt noch zu Hause bei ihren Eltern in Fräschels im Seeland. Als Künstlertochter ist sie dort umgeben von Werken aus dem eigenen Atelier, aber auch solchen von Künstlerfreunden, darunter Eisenskulpturen von Martina Lauinger oder Rudolf Tschudin oder Werke von Hans Erni. «Ich kenne es nicht anders. Bei uns geht die Kunst sozusagen ein und aus.»

Kino
Kino spielt eine untergeordnete Rolle in Janes Leben. Sie kann sich schon gar nicht mehr an ihren letzten Kinobesuch erinnern. Auch einen Lieblingsfilm gibt es nicht.

Kulinarik
«Ich esse sehr gerne und koche sehr kreativ», so die 27-jährige Eisenskulpteurin. Sie hält immer Ausschau nach neuen Rezepten und Kombinationen und experimentiert gerne. Dabei misslingt ihr fast nichts. «Aufgegessen wird immer.»

Konzert
Lange Zeit war das Open Air Frauenfeld ein fester Termin in Jane Steels Kalender, der Hip-Hop Szene wegen. Heute bewegt sie sich mehr in der Technoszene. Das Konzert der Elektroswinger Parov Stellar bleibt ihr in bester Erinnerung. «Den einen oder anderen Tanzschritt habe ich auch meinem Vater beigebracht.» Selbst Musik zu machen, mutet sie sich und anderen nicht zu.

Kapitel
Mit Belletristik kann Jane Steel nicht viel anfangen. Als Steinerschülerin war Frank Kafka zwar Pflichtlektüre, heute liest sie aber vor allem Blogs ab Bildschirm. Dabei geht es weniger um den Unterhaltungswert als um Weiterbildung: «Ich interessiere mich für Spiritualität und das Übernatürliche.»

Nora Devenish

Link zum Originalartikel


Der Vater, die Tochter und das Metall

In Jeannine Fankhausers Hand schmilzt hartes und schweres Metall einfach so dahin. Ihr Vater David Werthmüller, ein professioneller Eisenskulpteur, hat ihr das Handwerk beigebracht. In ihrem gemeinsamen Atelier in Fräschels entstehen Kunstwerke.


Jane Steel und David Werthmüller arbeiten in ihrem Atelier in Fräschels gemeinsam an einem Frauentorso.

Jeannine Fankhauser hat eine schwere Stange aus Stahl in der linken und einen Schweissbrenner in der rechten Hand. Die fast 3000 GradCelsius heisse Flamme aus einem Acetylen-Sauerstoff-Gemisch bringt das Metall zum Schmelzen. Den flüssigen Stahl bringt Fankhauser–sie arbeitet unter dem Künstlernamen Jean Steel–auf eine entstehende Skulptur, einen Frauentorso, auf. Ihr steht gegenüber: ihr Vater–besser Stiefvater–David Werthmüller. Der Fräschelser Künstler hat seine Tochter auf seinem Beruf ausgebildet.

Die ersten Vorarbeiten für die Skulptur nahm Fankhauser im Dezember auf. Spätestens im Mai soll sie ausgestellt werden. Der Stahl werde rosten, sagt Werthmüller, wenn er dereinst draussen aufgestellt werde. «Das ist Patina», sagt er. Das hochwertige Metall werde aber nicht wie eine alte Autotüre durchrosten, «es wird noch Generationen überleben». Wie das Endprodukt aussehen werde und wie figürlich es sein werde, wisse er nicht, sagt Werthmüller, «es wird aber sicher eine wilde Sache». Das Objekt entwickle sich, zum Beispiel auch abhängig von der Tagesform und davon, wie sie vorwärtskommen. Er werde das Objekt mal im Garten ausstellen, und dann schaue er weiter.

Ein Blick in ihren Showroom zeigt: Torsos und Porträts aus dunklem, poliertem Metall beherrschen den Raum. «Skulpturen aus Metall sind zum Be-Greifen da», betont Werthmüller. Deshalb müsse er scharfe Ecken und Kanten wegschleifen, damit man schadlos darüberfahren kann. Die Palette ihrer künstlerischen Möglichkeiten ist gross. Zeichnungen an der Wand zeugen von den anderen künstlerischen Fähigkeiten von David Werthmüller. Einige wenige Objekte sind von seiner Tochter.

«Sie hat mich ausgewählt»

Eisenskulpteurin: ein Kunsthandwerk ohne anerkannte Lehre. Ihr Weg sei nicht vorgezeichnet gewesen, erinnert sich Jeannine Fankhauser. Mit 13 sei David Teil ihrer Familie geworden. «Sie hat mich ausgewählt», sagt David Werthmüller lächelnd, und sie erklärt: «Als er uns das erste Mal besuchte, sagte ich: ‹Von mir aus kann er das Zahnbürsteli hier lassen.›» Sie sei ohne Vater aufgewachsen, und plötzlich hatte sie einen–wenn es auch nicht der leibliche war. «Er ist unglaublich toll. Er lehrt mich so vieles, zum Beispiel Töfffahren oder Schweissen. Es ist schön, jemanden zu haben, der einem etwas beibringt und daran Freude hat.»

Sie, Jahrgang 1989, als Kind sehr kreativ, Abgängerin der Rudolf-Steiner-Schule, liess sich erst zur Kosmetikerin ausbilden. Sie habe ihm schon damals bei Ausstellungen ausgeholfen, die eine oder andere Vorarbeit geleistet. «Ich bin mit dieser Arbeit aufgewachsen.» Sie schätze die Freiheit, die ihr das Kunsthandwerk ermögliche. Ihr Vater greife nur ein, wenn die Sicherheit tangiert werde. «Es ist wichtig, dass man etwas macht, was einem Freude bereitet.» Niemand schreibe ihr vor, was sie zu tun habe. «Ich kann meine Fantasien in die Realität umsetzen und andere daran teilhaben lassen.»

Vertrauen ist zentral

Irgendwann sei aus dem Hobby eine Tätigkeit geworden, sagt Fankhauser. Sie folgten einer Tradition: «Es ist wie früher: Das Wissen des Vaters geht an die nächste Generation über.» Meistens zwar an den Sohn, in ihrem Fall halt an die Tochter. «Es ist mehr eine Vater-Sohn-Beziehung zwischen uns», sinniert sie. Streit hätten sie seit ihrer Teenagerzeit kaum, sie könnten sich auf die gemeinsame Arbeit konzentrieren. Sie seien zwar familiär verbunden, doch nicht ganz so eng, als dass starke Emotionen im Wege stünden.

Werthmüller erinnert sich: «Ich ging früher davon aus, dass ich mein Wissen ins Grab mitnehmen werde.» Er mochte keine Angestellten haben und dachte schon gar nicht an eine Schülerin. Es ergab sich, dass aus vereinzelten Hilfeleistungen der Tochter immer mehr wurde. «Da habe ich gemerkt: Dieses Mädchen hat Talent.» Sie erwies sich als handwerklich geschickt, und vieles, was er nicht allein machen konnte, haben sie zusammen gemacht. «Sie hat weder Angst vor dem Feuer noch vor der harten Arbeit. Ich wusste: Sie hat Talent.» Der Schritt dazu, sie offiziell als Schülerin anzunehmen, war dann nicht mehr so gross. «Ausser ihm weiss nur ich, wie das Ganze funktioniert», sagt sie. 2015 nahm sie erstmals mit einem eigenen Objekt an einer Ausstellung in Bern teil. Es wurde sofort gekauft.

Die Zusammenarbeit sei eine Vertrauensfrage, so Werthmüller. Sie hantierten gemeinsam mit Flammen, «man muss Sorge tragen zueinander». Nun hat er, der früher als Künstler ein Einzelgänger war, eine Partnerin, die ihn berät, ihm den Spiegel vorhält und ihn auf neue Ideen bringt. «Das ist spannend. Ich bin manchmal in meinem eigenen Film drin. Sie beobachtet und bringt mich auf neue Wege.» So habe er ihre Idee aufgenommen, Skulpturen zum Aufhängen zu produzieren.

Könnte es bequemer haben

Die Arbeit mit dem schweren Rohmaterial, dem Feuer und den gefährlichen Flaschen ist nicht jedermanns Sache, sagt Werthmüller. Komme hinzu, dass sein Atelier unter freiem Himmel sei. «Im Sommer ist das kein Problem, doch bei Minustemperaturen, bei denen man erst den Wasserschlauch enteisen muss, um frühmorgens mit Schweissen loslegen zu können, sei es eine harte Tätigkeit. «Mich beeindruckt, dass sie das packt. Sie könnte es bequemer haben.» Das zeige ihre Leidenschaft für das Handwerk.

Ihr komme es entgegen, sagt Werthmüller, dass er schon früh bewusst auf die Arbeit mit schweren Maschinen und grossen Objekten verzichtet habe. Aus Sicherheitsgründen: «Denn es werden mehr Künstler von ihren Skulpturen erschlagen, als man meint.» Andererseits müsse man auf seine Gesundheit achten: «Deshalb schauen wir, dass wir hier möglichst nicht schwer heben müssen.»

Gemeinsame Ausstellung?

Werthmüller ist einer der wenigen Eisenskulpteure im Kanton, die von ihrer Kunst leben. Rund 130 Stücke aus Metall hat er in seiner über 20-jährigen Karriere erschaffen. Damit entspreche er nicht dem Klischee des brotlosen Künstlers, sagt er. Das Vater-Tochter-Künstlerpaar hat viele Projekte im Köcher. Eine Serie von Hundeskulpturen für eine Parkanlage zum Beispiel, so Fankhauser, oder eine gemeinsame Ausstellung. «Das wäre spannend. Aber ich müsste noch einige eigene Objekte herstellen. Zwei reichen nicht», sagt sie und grinst verschmitzt. «Sie hat so viele Ideen, dass ich die Übersicht verloren habe», seufzt Werthmüller und grinst mit.

Sie habe als Mädchen in einem harten Männerberuf nie negative Reaktionen erhalten, fährt Fankhauser fort. Vielmehr spüre sie Erstaunen, Neugierde, ja sogar Bewunderung bei ihrem Gegenüber, «sie denken sich wohl: Das ist eine Frau, die vor nichts Angst hat». Sie habe schon immer das Aussergewöhnliche und die Herausforderung gesucht. «Hier kann ich mich selbst sein, hier passe ich rein, hier kann ich mich einbringen, hier werde ich gebraucht», sagt sie.
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© Freiburger Nachrichten
17.03.2016
Autor: Fahrettin Calislar (Text) und Corinne Aeberhard (Bilder)